Die Ausstellung

Familienportrait, Kapitel 1/ Es gibt kein ruhiges Hinterland

Aufgrund der emotionalen Befangenheit ist der Prozess der Auseinandersetzung mit seinen*ihren Nazi-Großeltern ein schwieriger.
Es ist einfacher sich mit seinem*ihrem “Heldengroßvater” als mit seinem*ihrem “Tätergroßvater” zu identifizieren und damit diesen gleichen Großvater, den man möglicherweise sehr liebt und von dem man nur eine (z.B. fürsorgliche und witzige) Seite kennen gelernt hat,
anzuklagen und zusammen zu bringen mit dem Charakter, den er im zweiten Weltkrieg und in der Massenbewegung in Machtstrukturen eingenommen hat. Seine Taten und Verbrechen als das zu sehen, was sie waren: Systemtreue und Glaube an das nationalsozialistische “Projekt”, Unterstützung von Krieg und Terror-Herrschaft, Ermordung und Grausamkeiten.
Sich mit seiner Urgroßmutter zu identifizieren ist einfacher, wenn man nicht weiß, wie sie mit-wissend Führungspositionen ausgefüllt hat, die das System gestützt und aufgebaut haben.
Während sich meine letzten künstlerischen Arbeiten eher auf der allgemeinen Ebene mit dem Umgang mit neu-rechten Nazi-Trends beschäftigten, ist mein Research zur Zeit sehr stark auf die verschiedenen Positionen in meiner Familie, sowohl geschichtlich als auch gegenwärtig, bezogen.
Bei der persönlichen Auseinandersetzung mit diesen Positionen, die mir mal näher, mal ferner sind, stelle ich immer wieder fest, wie wichtig mir die Arbeit mit der eigenen Familiengeschichte ist. Für mich wird immer klarer, warum die Auseinandersetzung auf politischer Ebene in der BRD mit der NS-Zeit (wie z.B. das Monument für die Opfer des Holocausts, Kniefall Willy Brandt, Erinnerungsfeiern etc.) nicht dazu führt, dass die Bevölkerung einen reflektierteren Umgang mit diesem Thema bekommt, sondern nur dazu, dass viele denken, sie müssten sich gar nicht mehr damit auseinandersetzen.
Hier will ich betonen, dass ich denke, dass dies auch sehr wichtige Schritte sind, die genauso existieren müssen, die aber eben nicht alleine Geschichte bewältigen können. Antifaschistische Arbeit fängt in der Auseinandersetzung mit der eigenen Familie an. Wenn sich während der Zeit des Nazi-Regimes mehr Menschen gegen Familienmitglieder gestellt und klar gemacht hätten, dass sie anders denken, wäre es möglicherweise
gar nicht erst so weit gekommen.
Ich weiß, dass es waghalsig ist, über einen anderen Ausgang der Geschichte zu spekulieren, aber der Punkt, den ich klarmachen möchte ist folgender:
Wenn schon die Familienmitglieder damals nichts dagegen gesagt haben, ist es umso wichtiger heute dorthin zu schauen. Es ist ein emotionaler, toter Winkel, den keiner sehen möchte, weil er weh tut.
Eine Wunde, die abgedeckt wurde und sich nun zu entzünden beginnt. Es ist wichtig genau und kritisch hinzusehen, um präventiv den Gefahren der Idealisierung von familiären Nazi-Vergangenheiten zu entgegnen. In meinem Umkreis scheuen immer wieder Menschen genau diesen Prozess, vielleicht aus Angst oder Schmerz.

Die Installation setzt sich aus zwei Arbeiten zusammen, die sich im Raum gegenüber stehen. Auf der einen Seite sieht man als Beamer-Projektion eine Fotocollage aus verschiedenen Landschaften. In der Mitte der Collage ist eine Landschaft aus dem Film “Das blaue Licht” von Leni Riefenstahl zu sehen. Drum herum bilden und wechseln sich verschiedene Landschaften ab, die unter dem Hashtag #heimatliebe von Anhänger*innen, Sympathisant*innen, Vertreter*innen der identären Bewegung oder auch komplett Ahnungslosen bei Instagram gepostet wurden.
Es geht hierbei sowohl um die Landschaft als Projektionsfläche für den Heimatbegriff der extrem Rechten, aber auch darum, wie sich dieser Aneignungsprozess historisch wiederholt und vermischt mit Positionen der bürgerlichen bis konservativen so genannten “Mitte”. Es ist interessant,
wie mit Hashtags wie #heimatliebe oder auch #waldgang direkt und subversiv rechte Propaganda und Weltanschauung verbreitet wird, diese sich aber im offiziellen Diskurs in scheinbar unproblematischen/unauffälligen Gefilden bewegen und somit kaum Aufsehen erregen.
Ich möchte sichtbar machen, wie das Bild der “Natur” für eine nationalistische bzw. nationalsozialistische Weltsicht instrumentalisiert wird und dieser gefährlichen Anneignung mit antifaschistischen Straßenparolen, von dafür ins Leben gerufenen Avataren, zu konfrontieren.
Diese sieben Avatare sieht man isoliert in einzelnen Teilen der Landschaft stehen. Eine Person fängt an zu rufen “Alerta! Alerta! Antifascista!”. Der Ruf hallt durch die Landschaft, vielleicht hört man ein Echo. Dann ruft ein anderer Charakter einen weiteren antifaschistischen Spruch.
Trotz des voneinander getrennt- und isoliert-Seins, kommunizieren die antifaschistischen Charaktere miteinander und bringen die Message in Wald und Flur, Berge und Täler: “Nie wieder 1933!”,
Sie eignen sich die “Natur” zurück an und prägen das “Image” um.
Dieser Teil der Installation blickt auf gegenwärtige faschistische Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt, die sich immer noch auf die Ästhetik der NS-Zeit beziehen und Bilderwelten weiter tragen. Hier werden dem faschistischen Weltbild popkulturelle Parolen entgegen gesetzt, die selbst populistisch sind und ähnlich, aber anders unkomplex vereinfachen und klare Standpunkte beziehen.

hitus*, HBK Braunschweig